WIRTSCHAFT AM PULS DER ZEIT

Donnerstag, 12. September 2019
Vortrag und Dialog mit Stefan Schulmeister

Von der Prosperität in die Krise? Was wir von der Zukunft zu erwarten haben und was zu tun ist

Ein Vortragsabend, der für ein grundlegendes Verständnis zentraler gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in Europa und der Welt von großer Bedeutung sein kann.

Stephan Schulmeister

Geboren 1947, forschte von 1972 bis 2012 am Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO in Wien und gehört zu den bekanntesten Ökonomen Österreichs.

Seine Forschungsschwerpunkte sind die längerfristige Wirtschaftsentwicklung und das Verhältnis von Real- zur Finanzwirtschaft. Er kritisiert den Neoliberalismus als Ideologie im Interesse des Finanzkapitals und sieht sich daher als Freund des Unternehmertums.

Ökonom Stephan Schulmeister in Schladming zu Gast bei Steuer- und Wirtschaftsberatung Linder & Gruber

Wie bereits bei der letzten Veranstaltung, im Rahmen dieser Reihe, zum Thema „Das Ende des Online Shoppings - Über die Zukunft des Einkaufens in einer vernetzten Welt“, mit Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes, konnte auch diesmal ein österreichweit anerkannter Fachmann, zu einer mehr als aktuellen Themenstellung gewonnen werden. Der Ökonom Stephan Schulmeister forschte 40 Jahre am Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO und gehört zu den bekanntesten Ökonomen Österreichs.

Im Vortrag wurden sehr anschaulich allgemeine Erklärungen laufender ökonomischer Prozesse entwickelt. An Hand anschaulicher Grafiken, nahm Schulmeister auf verschiedene historische und aktuelle Entwicklungen im EU-Raum, unter Einbindung der Weltwirtschaft, Bezug.

Schulmeister stellte eine „Navigationskarte“ für ein anderes Europa vor, die auf einer realitätsnahen Wirtschaftstheorie begründet werden müsste. Der Fokus politischer Entscheidungen müsste sich von der aktuell übermäßig gestützten Ebene der Finanzmärkte, der sogenannten „Finanzalchemie“, zur Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für das Profitstreben von unternehmerischen Aktivitäten in der Realwirtschaft verlagern.

Ein zentraler Kritikpunkt Schulmeisters betrifft das vorherrschende, ökonomische Denken des Neoliberalismus, der nur Preise und Mengen, sowie Märkte kennt, die sich ständig auf ein Gleichgewicht zubewegen und von einem rein rationalen, Nutzen maximierenden Verhalten sämtlicher Marktteilnehmer ausgeht.

Das neue Fundament einer „realistischen Ökonomie“ bildet in seinen Augen der „homo humanus“, der mit Verstand und Gefühl, egoistisch und mit sozialem Eigennutzen, das Verhalten sämtlicher ökonomischer Akteure bestimmt, der Mensch als Individuum und als soziales Wesen.

Schulmeister skizzierte zwei mögliche Hauptrichtungen einer gesellschaftlichen Entwicklung:
Sollten sich die bestehenden, langfristigen Entwicklungstendenzen verstärken, so würden Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit sprunghaft steigen und Nationalismus und Populismus möglicherweise einen Zerfall der EU und Wirtschaftskriege in Europa auslösen.

Nur wenn es den bestehenden Eliten und Machthabern gelingt, einen grundlegenden Wechsel der ökonomischen Rahmenbedingungen, in Form einer völligen Neugestaltung der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik herbeizuführen, ließe sich eine kommende Finanzkrise verhindern.
Betroffenheit, Nachdenklichkeit und wohl auch ein bestimmtes Maß an Irritation haben seine Ausführungen bei den Zuhörern ausgelöst.

Die Erklärungen der vorherrschenden systemischen Krisenursachen klangen überzeugend. Verheißungsvoll und zukunftsweisend stimmten seine Darlegungen einer neuen „realkapitalistischen“ Spielanordnung in der gesamten Wirtschaft, die über eine vorgeschlagene Erneuerung des Europäischen Sozialmodells einen Weg in die Prosperität für alle Menschen eröffnen könnte.

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